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AutorenbildWallers Gasthof

Der „blöde Latexgeschmack“ stört


Referent Rainer Schmidt unterhält Börde Landfrauen bei Frühstücksrunde

HOLLNSETH. Mit der Verpflichtung von Rainer Schmidt als Referenten auf der alljährlichen Frühstücksrunde gelang dem Vorstand des Landfrauenvereins Börde Lamstedt ein echter Glücksgriff: Nach dem Gaumenschmaus in Wallers Gasthaus erzählte er „frisch von der Leber weg“ und gewann damit schnell die Herzen der rund 100 Zuhörerinnen. Tosende Lachsalven wechselten mit ernsten Momenten.

Rainer Schmidt, Pfarrer, Buchautor, mehrfacher Tischtennisweltmeister und Goldmedaillengewinner bei den Paralympics weiß, wovon er spricht. Er kam mit verkürzten Armen und ohne Hände sowie einem stark verkürzten Bein auf die Welt. Er weiß auch deshalb, was es heißt, mit Einschränkungen leben zu müssen. Unter dem Motto „Lieber Arm ab als arm dran“ zeigte er ebenso unterhaltsam wie bewegend auf: Die Unterscheidung in „Menschen mit Behinderung“ und „ohne Behinderung“ ist unnötig. „Wir alle haben Einschränkungen und Fähigkeiten. Wie wir aber mit diesen Unterschiedlichkeiten umgehen, ist entscheidend. Wann ist man behindert? Und wer ist behindert?“, fragte Schmidt in den Raum. Auch für augenscheinlich nicht behinderte Menschen gebe es Grenzen. „Es gibt keinen Menschen, der alles kann“. Schmidt erinnerte an den Tag seiner Geburt. Die Hausgeburt machte die robuste Oma fast im Alleingang, den anschließenden Rundgang mit bleichem Gesicht durch das Dorf auch. „Meine Oma hat an diesem Tag Facebook erfunden. Es gab niemanden im Ort, der nicht nach wenigen Minuten wusste, dass im Hause Schmidt ein Kind mit Behinderung geboren wurde.“ Schnell sei der Gedanke da gewesen: „Gibt man das Kind ins Heim?“ Für Schmidts Mutter sei es allenthalben „der schlimmste Tag ihres Lebens“ gewesen, für ihn selbst der Beginn seines eigenen, in dem er nach Dingen sah, die er konnte, statt darüber im Boden zu versinken, was ihm verwehrt bleibe. Trotz seiner Behinderung wuchs der 54- Jährige wie die anderen Kinder im dörflichen Umfeld auf. Bei seiner Einschulung in die „Sonderschule“ habe er bemerkt, dass er ein besonderes Kind sei. Ohne erhobenen Zeigefinger (wie sollte er auch), erzählte Rainer Schmidt mit erfrischender Offenheit und mit viel Wortwitz aus seiner Perspektive, was es bedeutet, mit offensichtlichen Einschränkungen zu leben. Mit vielen Anekdoten zeigte er auf, wie der Umgang mit den eigenen Grenzen gelingen kann: Mit einem Lächeln auf den Lippen bittet er die Servicekräfte im Hotel, ihm die Brötchen zu machen, wenn kein langes Brotmesser zur Hand ist. Und die Schaffner der Deutschen Bahn? Die täuscht er zuweilen mit spastischen Anfällen, wenn er mal wieder kein Ticket dabei hat. Und weiter: Für das Anziehen benötigt er nur seinen Metallstock mit Haken, Hintern abwischen „geht prima“, die Schuhe zieht er selbst an und „wenn dieser blöde Latexgeschmack im Mund nicht wäre, wär’s auch mit dem Kondomüberziehen kein Problem“. (to)

Quelle: Bremervörder Rundschau

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